Leben auf dem Wasser

2023

„In 20 Jahren wirst Du mehr enttäuscht sein über die Dinge, die Du nicht getan hast, als über die Dinge, die Du getan hast. Also wirf die Leinen los. Verlasse den sicheren Hafen…“  (Mark Twain)

April 2023

Der Winter ist vorüber, wir haben die Leinen los geworfen, den sicheren Hafen verlassen und sind wieder auf Reisen. Auch, wenn sich die Temperaturen noch nicht so recht nach Frühling anfühlen, so deutet doch die rege Nestbautätigkeit der Wasservögel am Ufer unmissverständlich darauf hin, dass die Kälte ein Ende haben wird. Bald werden sich wieder viele Jungtiere im und am Wasser tummeln. Das zu sehen, ist jedes Jahr eine große Freude.

In den letzten Monaten haben wir uns an unserem Winterliegeplatz in der Marina Am Tiefen See in Potsdam wieder sehr wohl und quasi wie zu Hause gefühlt. Wir sind fast ein wenig „portlag“ geworden. Abschied von dort bedeutet auch Abschied von neu gewonnenen Freunden. Einige davon werden wir in Holland und auf dem Weg dorthin wiedersehen. Darauf und auf die Begegnung mit vielen Freunden entlang des Mittellandkanals freuen wir uns sehr.

Die dunkle Jahreszeit wurde uns abermals durch viele Theater- und Opernbesuche sowie zahlreiche Konzerte und Ausstellungen „versüßt“. Dafür waren Potsdam und Berlin einfach toll!!

Jetzt aber ist es an der Zeit, die Tara aus dem Winterschlaf zu erwecken und sie endlich wieder zu bewegen.

Die kommende Saison wird uns nach Holland führen, wo wir auch den Winter verbringen wollen.

Wir sind neugierig und gespannt, was uns die nächsten Monate bringen werden.

Mai 2023

So richtig nimmt das Frühlingswetter noch nicht Fahrt auf. Es regnet viel, was natürlich sowohl für die Schifffahrt als auch die Natur von Vorteil ist.

Flexibel muss man sein, wenn man so lebt wie wir. Unsere Pläne, über die Ems nach Weener zu fahren, um dort Mitte Mai einzulaufen, müssen wir um ein paar Wochen verschieben. Die Schleuse Herbrum ist wegen dringender Reparaturarbeiten bis voraussichtlich Anfang Juni gesperrt. Also haben wir uns entschieden, auf dem Dortmund-Ems-Kanal nach Süden zu fahren. Wir wollen ein paar Tage nach Münster, wo mehrere Freunde an Bord kommen werden.

Wir freuen uns auf diese Begegnungen und auf alles, was es in dieser interessanten Region zu entdecken gibt.

Das Münsterland hat viele beeindruckende Wasserburgen, eine schöner als die andere. Einige von ihnen erkunden wir. Burg Hülshoff ist der Geburtsort der großen deutschen Poetin Annette von Droste-Hülshoff. Burg Vischering ist ein weiterer sehr sehenswerter Ort. Mit ihrer runden Hauptburg inmitten des Hausteichs bietet sie ein Baudenkmal von malerischer Geschlossenheit und gilt als Ideal einer münsterländischen Wasserburg.

Im Schloss Nordkirchen befindet sich die Finanzhochschule NRW. Das Schloss ist ein beeindruckendes Bauwerk und kann nach angemeldeter Führung besichtigt werden. Den wunderbaren großen Park kann man jederzeit kostenlos besuchen.

Das Industriemuseum Henrichenburg ist unbedingt einen Besuch wert. Beeindruckend ist das Schiffshebewerk. Auch die alte Schleuse kann man begehen. Wann und wo sonst kann man eine Schleuse durchschreiten?

Auf unserem Weg zurück nach Norden legt unser Freund und Berufsschiffer Nico mit seinem Tanker „Jan“ in Lüdinghausen hinter uns an. Wir haben ihn seit einem Jahr nicht gesehen und freuen uns über diese Begegnung.

Der Schiffsführer der „Nina“ hat vor der sehr niedrigen Eisenbahnbrücke Lüdinghausen sein Steuerhaus wohl nicht rechtzeitig weit genug abgesenkt. Wir sind froh, dass alle drei Besatzungsmitglieder unverletzt sind. An eine Weiterfahrt des Tankers ist aber vorerst nicht zu denken.

Wir machen auf unserer Rückfahrt noch einmal im Dreieckshafen Münster fest.

Nachruf

In den frühen Morgenstunden des 27.5.23 verließ uns unsere Schiffskatze Greta für immer. Sie war die beste Reisebegleiterin, die wir uns wünschen konnten und 16 Jahre lang unsere treue Gefährtin. Es verging kein Tag, an dem sie uns nicht ein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Sie starb wie sie gelebt hatte: Frei und selbstbestimmt. Wir trösten uns damit, dass sie ein langes, glückliches Katzenleben ohne Unfälle oder Krankheiten hatte. Zwei Jahre reiste sie mit uns auf dem Schiff und hat es sichtlich genossen, erkundete voller Neugier jeden neuen Liegeplatz und kam immer wieder zuverlässig zurück. Wie eine Galionsfigur saß sie oft vorn an Deck und ließ sich den Wind um die Nase wehen. Ein schönes Bild, das es nun so nicht mehr geben wird…

Unsere Trauer ist groß, und wir vermissen sie sehr.

Juni 2023

Wir sind wieder unterwegs, und das Wetter spielt mit. Es ist warm und sonnig. Das Aufkommen an Berufsschiffen wird immer geringer je weiter wir den Dortmund-Ems-Kanal zu Tal fahren. So kommen wir bei wenig Verkehr sehr gut voran und haben keine Wartezeiten an den Schleusen.

Haren hat ein Schifffahrtsmuseum, das einen Besuch wert ist. Es wird von Senioren ehrenamtlich betreut, die, wie so viele in der Schifferstadt, ein langes Berufsleben auf dem Wasser hinter sich haben. Mit erfahrenen Berufsschiffern zu sprechen, ist immer sehr interessant. Viele von ihnen üben den Beruf schon seit Generationen aus. So bleibt ein Schiff häufig lange in Familienbesitz.

Wenn wir in ein paar Wochen aus Weener zurückkommen, werden wir auf diesem Kanal nach Holland fahren.

Im Hafen Weener angekommen, werden wir schon von unseren Freunden erwartet und herzlich begrüßt. Die Tarahumara hat hier von Herbst 2019 bis Sommer 2021 gelegen, und für uns fühlt sich das Einlaufen in den alten Hafen ein bisschen an, als kämen wir nach Hause. Wir werden einige Wochen hier bleiben und ein paar wichtige Dinge erledigen. So steht u.a. die Gasprüfung an, die alle 2 Jahre durchgeführt werden muss. Auch werden wir unseren Heizölvorrat auffüllen und uns einiges liefern lassen.

Joachim und Gisela aus Fürstenberg kommen auf ihrem Rückweg aus Paris vorbei und legen mit dem „Zeehond“ für eine Nacht in Weener an. Wir haben sie vergangenen Sommer in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Wasser kennengelernt und freuen uns über ihren Besuch.

Juli 2023

Die Wochen in Weener waren wieder sehr angenehm und entspannend. Wir haben Zeit mit Freunden verbracht, Ausstellungen besucht, im Hafen 55 Live-Musik gehört und mit unseren neuen E-Bikes Ausflüge unternommen. Das Wetter spielte wunderbar mit. Dadurch konnten wir auch kleinere Lackierarbeiten an Bord vornehmen.

Nun aber ist es an der Zeit, wieder einmal Abschied zu nehmen und die Leinen loszuwerfen.

Der Haren-Rütenbrock-Kanal verbindet die Ems mit den niederländischen Kanälen Stadtskanal-Winschoter Diep-Emskanal. Er ist schmal und flach und das Fahren darauf mit einem Schiff unserer Größe eine echte Herausforderung. Mit 4-5 km/h sind wir kaum schneller als ein Fußgänger. Was für ein Kontrast zu unseren Reisen mit den Motorrädern! „Slow travelling“ ist unser Reisestil, Strecke machen unsere Sache nicht. So können wir intensiv genießen und fühlen uns sehr wohl damit. Beeindruckend an diesem Kanal sind nicht nur seine denkmalgeschützten Bauwerke, sondern auch die über 100jährigen Eichenalleen, die bereits in der Bauzeit gepflanzt wurden. Wir werden auf 13,5 km durch 4 Schleusen und 10 bewegliche Brücken vom Schleusenwärter in Haren aus der Ferne auf dem Weg in die Niederlande begleitet, der uns sogar anruft, als es wegen Blitzeinschlags ein technisches Problem und etwas Zeitverzögerung gibt.

In Ter Apel besuchen wir die Klosteranlage aus dem 15. Jahrhundert mit einem herrlichen Klostergarten. Ein schöner stiller Ort, von Wald umgeben.

Weiter geht die Fahrt am nächsten Tag im Konvoi mit zwei Jachten über Ter Apel Kanaal, Musselkanaal und Stadskanaal in das Oosterdiep nach Veendam. Das Oosterdiep ist trotz oder gerade wegen seiner 32 beweglichen Brücken auf wenigen Kilometern der schönste Teil der Tour. Die Durchfahrten sind eng, aber Paul lässt die Tara geübt hindurchgleiten. Am Kanal stehen gepflegte kleine Häuser mit schönen Gärten. Es ist ganz wunderbar, wie routiniert und professionell die Bedienung der Brücken und Schleusen in Holland geregelt ist. Viele davon werden noch mit Muskelkraft betätigt, und die Brückenwärter radeln von Bauwerk zu Bauwerk mit, bevor sie schließlich an einen Kollegen übergeben. Die 100 Jahre alten Schleusen sind echte Antiquitäten mit winzigen Pollern, die zum Teil keine 10 cm hoch sind.

Unsere Fahrt von Veendam nach Groningen dauerte viel länger als geplant, da wir an den Euvelgunnerbruggen unmittelbar vor der Stadt einen unfreiwilligen Aufenthalt einlegen mussten. Die Anmeldung über Funk ergab die Auskunft: „Brücken gesperrt. Wie lange, wissen wir nicht.“ Nun kann eine solche Aussage allerlei bedeuten. Gesperrt für Stunden, Tage oder Wochen? Als wir schon nach alternativen Möglichkeiten mit tagelangen Umwegen suchten und eine provisorische Liegemöglichkeit an einem Industriebetrieb für die Nacht organisiert hatten, hieß es plötzlich wieder über Funk: „In 10 Minuten könnt Ihr durchfahren. Ab morgen wieder alles gesperrt.“ Wir waren froh weiterfahren zu können. Allerdings hatte uns diese Verzögerung einige Stunden gekostet, so dass wir erst um 19.00 Uhr, zur letztmöglichen Brückenöffnung, im Reitdiephaven Groningen einliefen. Hier legten wir ein paar Ruhetage ein, um wieder einmal diese schöne Stadt zu besuchen.

Nach einigen Tagen mit viel Regen in Groningen verließen wir den Hafen und fuhren über das wunderschöne Reitdiep Richtung Lauwersmeer.

Über das Lauwersmeer ging es weiter in das Dokkumer Diep und Dokkumer Grootdiep nach Dokkum. Unterwegs sahen wir immer wieder schöne kostenlose Liegeplätze, die von der Organisation „Marrekrite“ unterhalten werden und in landschaftlich herrlicher Umgebung liegen. In Dokkum fanden wir einen First-Class-Liegeplatz an einer der Mühlen in der Stadt und entschlossen uns hier drei Tage zu bleiben.

Die kleine Stadt Dokkum ist besonders bekannt, weil im Jahr 754 der Missionar Bonifatius dort ermordet wurde. Aus diesem Grund ist Dokkum ein Wallfahrtsort für Katholiken. Ein kleines Museum im ehemaligen Gebäude der Admiralität informiert über die Geschichte der Stadt.

August 2023

Das kann passieren, wenn ein großes Schiff viel zu schnell und zu dicht vorbei fährt. Zum Glück ist nichts an der Tara passiert. Aber wir wurden durch fiese Geräusche aus dem Schlaf geweckt.

In Leeuwarden fanden wir einen guten Liegeplatz an der Noorderstadsgracht und konnten mit einer kleinen kostenlosen Fähre übersetzen, um in die Altstadt zu gelangen. Der Ort ist sehr sehenswert und war 2018 Kulturhauptstadt Europas. Viele interessante Museen, eine lebendige Altstadt mit zahlreichen Kneipen, Restaurants und kleinen Geschäften machen den Aufenthalt hier angenehm.

Man sieht immer wieder beeindruckende alte Schiffe, teilweise bis 39 m Länge. Wie die durch enge Grachten fahren, nötigt uns schon Respekt ab. Die Holländer haben viel Sinn für die Traditionsschifffahrt und hegen und pflegen ihre antiken „Schätzchen“.

Nach einer Woche bei Freunden in der alten Heimat kehrten wir nach Leeuwarden zurück, füllten unsere Vorräte auf und legten am nächsten Tag ab Richtung Nationalpark „Oude Veen“.

Um den Wassertourismus anzukurbeln, wurden bereits seit den fünfziger Jahren in Friesland von der Organisation „Marrekrite“ viele kostenlose Liegeplätze an schönen Orten in der Natur angelegt. Diese Plätze suchten wir immer wieder auf und genossen die Ruhe.